Was ist Anti-Schwarzer Rassismus und was hat das mit Deutschland zu tun?

Rückblick: Am 23. März 2024 organisierte der Verein SIMAMA-STEH AUF e.V. eine Fachtagung zum Thema Anti-Schwarzen Rassismus im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus in Karlsruhe. In seiner Keynote, beleuchtete Prof. Dr. Laign die Geschichte des deutschen Kolonialismus in Afrika und die Entstehung von Anti-Schwarzem Rassismus in Deutschland.
Woher kommt Anti-Schwarzer Rassismus in Deutschland?
1. Dauer vs. Auswirkung
Obwohl der deutsche Kolonialismus in Afrika im Vergleich zu anderen europäischen Kolonialmächten von kürzerer Dauer war (ca. 1880er-1918), waren seine Auswirkungen dennoch tiefgreifend und verheerend.
2. Rassismus als Pseudowissenschaft
Um die Ausbeutung anderer Völker zu rechtfertigen, bedienten sich Kolonialmächte an pseudowissenschaftlichen und rassistischen Ideologien, welche Schwarze Menschen als minderwertig definierten. Dies formte die Grundlage für Anti-Schwarzen Rassismus, der bis heute besteht und tief in gesellschaftliche Strukturen eingewoben ist.
3. Kolonialismus der Wissenschaft:
Deutsche Wissenschaftler:innen wie Robert Koch führten medizinische Experimente an Schwarzen und indigenen Menschen durch, ohne ethische Standards zu beachten.
Deutsche Forscher, Sammler und Kolonialbeamte haben während der Kolonialzeit Exponate aus Afrika gestohlen oder unter zweifelhaften Umständen erworben, die sich größtenteils bis heute in deutschen Museen befinden. Beispiele hierfür sind das Senckenberg Museum in Frankfurt, das Humboldt Forum in Berlin und das Lindenmuseum in Stuttgart.
4. Kolonialismus der Privatunternehmen:
Private Unternehmen waren an Goldexpeditionen und anderen wirtschaftlichen Unternehmungen beteiligt, die oft auf Kosten der einheimischen Bevölkerung gingen. EDEKA (einst Abkürzung für Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler […] zu Berlin), ist ein prominentes Beispiel für ein deutsches Unternehmen, das von dem Verkauf von Produkten aus den damaligen Kolonien profitierte.
5. Kolonialismus der Kirchen
Die Kirchen waren aktiv an der Missionierung und Christianisierung der einheimischen Bevölkerung beteiligt, verweigerten aber oft Bildung und Nahrung denen, die sich nicht zum Christentum bekannten.
6. Siedlerkolonialismus
Der deutsche Siedlerkolonialismus in Namibia war durch die Beschlagnahme von Land und die Unterdrückung der einheimischen Herero- und Nama-Völker gekennzeichnet. Dies führte zu schwerwiegenden Konflikten und letztendlich zum Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908.
“Das ist doch schon so lange her! Jetzt ist doch alles ganz anders.”
Ein häufiges Zitat, das einem begegnet, wenn man über den (deutschen) kolonialismus spricht.
Prof. Dr. Laing erkennt an, dass es heute viel weniger Rassismus gibt als früher, und betrachtet diesen Fortschritt als Anerkennung für den langen und schmerzhaften Kampf seiner Vorfahren für ihre Emanzipation.
Trotzdem weist er daraufhin, dass die Auswirkungen des Kolonialismus nach wie vor deutlich spürbar sind und dass Anti-Schwarzer Rassismus auch heute noch existiert.
Wie zeigt sich Anti-Schwarzer Rassismus in Deutschland?
1. Extremitäten: Rechtsextremismus
Anti-Schwarzer Rassismus zeigt sich ganz offen im zunehmendem Rechtsextremismus in Deutschland. Von Pegida-Demos bis zu online Hassreden verbreiten sich rassistische Vorurteile und Angriffe gegenüber Schwarzen Menschen unter dem Vorwand einer Multikulti-Ablehnung. Dies gefährdet nicht nur Toleranz und Vielfalt, sondern auch die Sicherheit Schwarzer Personen in Deutschland.
2. Institutioneller Rassismus:
2.1 Racial Profiling und Polizeigewalt
Anti-Schwarzer Rassismus zeigt sich auch in der Polizeigewalt in Deutschland, wo Schwarze Menschen oft grundlos kontrolliert und Opfer von rassistischer Diskriminierung werden. Der tragische Fall von Oury Jalloh, der unter verdächtigen Umständen in einer Polizeizelle ums Leben kam, ist ein erschütterndes Beispiel für diese Realität.
2.2. Medizinische Versorgung
Eine Studie zeigt, dass Personen mit “deutschen Namen” eher Termine in einer Arztpraxis erhalten als solche mit “nicht-deutschen Namen”, was auf institutionelle Diskriminierung hinweist. Zudem sind viele medizinische Standards und Verfahren auf weiße Patienten ausgerichtet, was zu Herausforderungen führen kann. Zum Beispiel kann die Narbenbildung bei Schwarzen Menschen anders sein, was eine Anpassung der Nahttechnik erfordert.
3. Zwischenmenschlicher Rassismus
Rassistische Bemerkungen im Alltag können sich sowohl in offensichtlich böswilligen Handlungen, wie Beleidigungen, als auch in subtileren Formen ohne offensichtlich böse Absichten, wie der Frage nach der Herkunft, zeigen. Offensichtlich rassistische Handlungen zielen darauf ab, Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe zu demütigen, z.B. das Beschimpfen von Fußballern mit Affenlauten. Scheinbar harmlose Fragen oder Kommentare können dennoch rassistische Implikationen haben und das Gefühl der Ablehnung oder des „Andersseins“ verstärken.
4. Alltagsrassismus: Subtilitäten im Kinderalltag
Anti-schwarzer Rassismus ist auch in Kinderbüchern präsent, oft subtil und unbemerkt. Klassiker wie “Pipi Langstrumpf”, „Tim und Struppi“ oder „Benjamin Blümchen“ können stereotype Darstellungen von Schwarzen Menschen enthalten, die rassistische Vorurteile verstärken.
5. Struktureller Rassismus
5.1. Technologien und Soziale Medien
Anti-Schwarzer Rassismus manifestiert sich auch in den Strukturen sozialer Medienplattformen. Oftmals werden Schwarze Personen auf Fotos und Videos von den Algorithmen unverhältnismäßig häufig übersehen oder sogar ganz ausgeblendet, was zur Unsichtbarkeit von Schwarzen Menschen in digitalen Räumen beiträgt.
Ein weiteres beunruhigendes Beispiel ist die Technologie, bei der Gesichtserkennungs-Apps Schwarze Personen fälschlicherweise häufig als Gorillas erkennen, was eine weitere Form von Diskriminierung darstellt.
5.2. Sozioökonomische Benachteiligung
Struktureller Rassismus zeigt sich auch in der sozialen Struktur von Städten. In einem der ärmsten Stadtteile in Hamburg wohnen beispielsweise zu 80% Menschen mit Migrationshintergrund, während im reichsten Stadtteil nur etwa 10% eine Migrationsgeschichte haben. Diese drastische Diskrepanz verdeutlicht, wie strukturelle Ungleichheit und Benachteiligung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit in unserem Gesellschaftssystem verankert sind.
6. Ignoranz
Es gibt noch viele weitere Beispiele für Anti-Schwarzen Rassismus, aber aus Platzgründen möchte ich nur noch ein letztes nennen:
Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie diesen Artikel bis hierhin gelesen haben, ist gering, da das Thema Sie vielleicht nicht interessiert oder Sie glauben, dass es Sie nicht betrifft. Leider trägt genau dieses Privileg zur Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Status Quo bei.
Schwarze Menschen werden oft nicht ernst genommen, wenn sie Diskriminierungserfahrungen schildern. Stattdessen werden Ausreden gefunden wie „Oh, ich bin sicher, das war nicht so gemeint“. Diese Reaktionen führen dazu, dass viele ihre Erfahrungen lieber verschweigen.
Das heißt:
Anti-Schwarzer Rassimus bleibt weiterhin eine Lebensrealität Schwarzer Menschen in Deutschland!
Geschrieben von Grace Alele